Warum die Identitätsfindung nie aufhört

Überzeugungen und Vorlieben können sich schnell ändern. Wie Eltern darauf reagieren können und welchen Einfluss Social Media auf die Entwicklung Ihres Kindes hat.

Ein Mädchen sitzt am Boden, über ihrem Kopf ein Herz. Vor ihr steht ein anderes Mädchen mit blauen Haaren.

Ich bin ich: Warum die Identitätsfindung nie aufhört

Wer bin ich, wer möchte ich sein und wie nehmen mich andere Menschen wahr? Beziehungsweise: Wie möchte ich wahrgenommen werden? Das alles sind Fragen, die sich Jugendliche stellen. Sie sind auf der Suche, ihren Platz in der Gruppe von Gleichaltrigen, aber auch in der Gesellschaft zu finden.

Auch mit 16 Jahren ist die Suche nach der eigenen Identität noch nicht abgeschlossen, denn es gibt nicht nur die eine, einzige Persönlichkeit, die für immer festgeschrieben ist. Sie verändert sich immer wieder. Auch Erwachsene entwickeln ihren Charakter, ihre Vorlieben und Wertvorstellungen stetig weiter. Die Basis für das, was die eigene Identität ausmacht, wird aber in der Pubertät gelegt. Deswegen ist diese Phase auch so wichtig.

Es gibt viele Möglichkeiten, eine eigene Identität und Haltung zu entwickeln. Dazu kann zum Beispiel die Entscheidung gehören, sich auf eine bestimmte Weise zu ernähren (zum Beispiel vegan oder vegetarisch), die Wahl der Sportart, einer Musikrichtung, des Kleidungsstils oder der politischen Überzeugung und Lebenseinstellung. Dabei üben nicht nur Familie und Freund*innen, sondern auch Schule, Medien und allgemeine Trends Einfluss auf die Jugendlichen aus.

Ganz normal ist auch, dass sich diese Überzeugungen immer wieder ändern. Gestern war Ihr Teenager noch ein großer Elektromusikfan, heute ist nur noch Gitarrensound von Indiebands angesagt. Vielleicht engagiert sich Ihr Kind auch einige Zeit im Sportverein und konzentriert sich auf Training und gesunde Ernährung, doch dann möchte es lieber mit seinen Freund*innen eine Band gründen. Der Sport ist erst einmal abgeschrieben. Solche Umschwünge sind ein Teil der Entwicklung Ihres Kindes. Für Sie als Eltern besteht die Herausforderung darin, Regeln und Absprachen immer wieder neu anzupassen. Manchmal kann es für Sie als Eltern hilfreich sein, sich in Ihre eigene Jugend zurückzuversetzen. Vielleicht ist es Ihnen in diesem Alter ähnlich ergangen oder auch ganz anders. Wenn Sie sich an Ihre eigene Pubertät erinnern, wird es Ihnen leichter fallen, Ihr Kind zu verstehen.

Bin ich schön? Faszination Social Media

Jugendliche können aus unzähligen Lebensmodellen, Stilrichtungen und Überzeugungen wählen. Social-Media-Plattformen sind nicht nur ein Ort, um sich über andere Lebensstile zu informieren, sondern sich auch selbst darzustellen. Herzchen oder Likes unter dem eigenen Posting können ein gutes Gefühl und eine Bestätigung der eigenen Identität geben.

Sich mit Menschen auf der ganzen Welt auszutauschen und von ihnen inspirieren zu lassen, ist erst mal eine gute Sache. Aber gerade Influencer*innen üben im wahrsten Sinne des Wortes Einfluss auf ihre Follower*innen aus. Junge Männer, die täglich im Fitnessstudio Gewichte stemmen oder die neuesten Computerspiele gamen, junge Frauen, die morgens um 5 Uhr aufstehen, um mit Yoga und einem Matcha Latte entspannt und motiviert in den Tag zu starten, können Jugendliche einerseits motivieren, Sport zu treiben oder sich gesund zu ernähren, anderseits aber auch überfordern. Denn das scheinbar ideale Leben, die perfekt ausgeleuchtete Wohnung und die durchtrainierten Körper sind im echten Leben oft nur schwer zu erreichen. Die wenigsten Menschen sehen so aus wie ihre Online-Idole oder haben gar die finanziellen Mittel, um die Produkte zu kaufen, die ihnen die Influencer*innen vorstellen. Solche Posts und Videos können daher auch das Selbstbewusstsein schwächen. Gerade in der Pubertät verändert sich der Körper stark. In dieser Phase optimierten Körperbildern nachzueifern, kann bei Jugendlichen Stress auslösen. In einigen Fällen führt das sogar dazu, dass sie Essstörungen entwickeln oder zum Beispiel Anabolika nehmen, um Muskeln aufzubauen. Interessieren Sie sich daher dafür, welchen Lifestyle Ihr Kind verfolgt, und informieren Sie sich über mögliche Risiken, die eine bestimmte Ernährung, ein besonderes Sportprogramm oder Ähnliches mit sich bringen können.

In den sozialen Medien finden Sie auch zahlreiche Beiträge und Videos, die diese Trends kritisch hinterfragen.

Wenn Jugendliche darunter leiden, ihren perfekten Idolen nicht entsprechen zu können, sollten Sie als Eltern Ihrem Kind bewusst machen, dass auch das vermeintlich Unperfekte liebenswert ist und eine Persönlichkeit erst ausmacht.

Gut zu wissen: Jugenduntersuchung J2

Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren können die letzte Jugenduntersuchung, die sogenannte J2, in der Kinderarztpraxis durchführen lassen. Neben einer körperlichen Untersuchung wird auch ein ausführliches Beratungsgespräch geführt. Darin geht es vor allem um Fragen rund um Sexualität, Verhütung, Zusammenleben in der Familie, Freundeskreis, Medien- und Drogenkonsum. Auch das Thema Berufswahl wird angesprochen, vor allem, wenn gesundheitliche Einschränkungen bestimmte Ausbildungswege ausschließen. Die J2 ist keine gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchung und wird daher nicht von allen Krankenkassen übernommen. Fragen Sie am besten vorher bei Ihrer Krankenkasse nach.

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