Essstörungen: Wenn der Körper zum Feindbild wird
Manche Kinder und Jugendliche empfinden die Veränderungen während der Pubertät als so belastend, dass sie das Gefühl haben, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Tief liegende Probleme, familiäre Konflikte, traumatische Erlebnisse, Einsamkeit, Leistungsdruck, Kummer oder mangelndes Selbstwertgefühl können dieses Gefühl noch verstärken. Betroffene suchen dann nach einer Möglichkeit, selbst wieder etwas steuern zu können.
Nichts oder nur wenig zu essen gibt manchen Jugendlichen das Gefühl, wieder etwas kontrollieren zu können. So kann es zur Entwicklung einer Essstörung kommen. Nicht selten orientieren sich Jugendliche in dieser Phase auch an Menschen wie Influencer*innen in den sozialen Medien und streben nach einem Schönheitsideal, das kaum zu erreichen ist: schön, schlank und erfolgreich.
Nach Schätzungen der Krankenkassen sind in Deutschland rund 50 000 Jugendliche von einer Essstörung betroffen. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein.
Mädchen sind dabei häufiger betroffen, aber auch Jungen sind gefährdet. Nicht alle entwickeln eine krankhafte Essstörung, meist normalisiert sich das Essverhalten wieder.
Oft beginnt alles mit einer Diät, also mit dem Wunsch, dünner zu sein. Irgendwann können die Betroffenen nicht mehr aufhören abzunehmen, treiben exzessiv Sport, nehmen Abführmittel ein und verlieren immer mehr an Gewicht. Dies alles können Anzeichen für eine Magersucht sein. Betroffene mit einer Magersucht nehmen ihren Körper oft ganz anders wahr. Obwohl sie vielleicht nur noch aus Haut und Knochen bestehen, sehen sie an sich Fettpolster oder breite Hüften.
Eine andere Form der Essstörung ist die Bulimie. Betroffene haben bei dieser Essstörung anfallsweise unkontrolliertes Verlangen nach Essen. Anschließend führen sie häufig gewichtsreduzierende Maßnahmen durch, wie selbst herbeigeführtes Erbrechen und/oder die Einnahme von Abführmitteln.
Beim sogenannten Binge-Eating nehmen die Personen in kürzester Zeit Unmengen an Nahrung zu sich und empfinden kein Sättigungs- oder Völlegefühl. Oft fühlen sie sich danach schuldig und ekeln sich regelrecht vor dem eigenen Körper. Weder bei Bulimie noch bei Binge-Eating muss zwingend ein extremes Untergewicht vorliegen.
Sprechen Sie Ihr Kind darauf an, wenn Sie merken, dass sich sein Essverhalten oder Gewicht deutlich verändern oder Sie folgende Auffälligkeiten beobachten:
- Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme sind deutlich.
- Ihr Kind wiegt sich sehr häufig.
- Es isst selbst sehr wenig und manchmal gar nicht.
- Es bekocht gerne die Familie oder backt für andere, vermeidet aber, an diesen Mahlzeiten teilzunehmen.
- Es ist unzufrieden mit dem eigenen Gewicht und Körper, obwohl es schon auffällig dünn ist.
- Die Menstruation bleibt bei Mädchen aus.
- Ihr Kind treibt häufig und sehr lange Sport.
- Nach dem Essen geht es sofort ins Bad/WC, um sich zu erbrechen.
- Es beschäftigt sich viel mit Ernährung und bestimmten Ernährungsformen (wie Veganismus oder Ähnlichem).
- Es trinkt viel Wasser gegen den Appetit und um das Untergewicht zu manipulieren.
- Ihr Kind tut so, als ob es essen würde, indem es ständig an irgendetwas knabbert, das keine Kalorien hat, oder indem es häufig zuckerfreies Kaugummi kaut.
Falls Sie mehrere dieser Anzeichen bei Ihrem Kind beobachten, zeigen Sie ihm, dass Sie sich Sorgen machen, und suchen Sie Hilfe bei einer Beratungsstelle oder in einer psychotherapeutischen Praxis.