Erziehen, ohne laut zu werden

Wenn Eltern ihr Kind anschreien, dann meist aus Überforderung. Tipps wie Sie auch in Stresssituationen die Ruhe bewahren.

Der letzte Schrei: Erziehen, ohne laut zu werden

In Stresssituationen die Ruhe zu bewahren, ist nicht einfach. Wenn die Arbeit nervt, der Verkehr staut, es an der Supermarktkasse nicht vorangeht und dann auch noch das Kind quengelt und tobt, wird es irgendwann zu viel. Uns platzt der Kragen, und wir schreien vielleicht unser Kind an: „Jetzt ist aber Schluss hier, immer musst du so laut sein!“ Wahrscheinlich schaut es uns dann erschrocken an und beginnt zu weinen. Das Toben ist zwar nun vorbei, doch wir spüren ganz genau: Das, was wir gerade getan haben, war nicht richtig.

Die wenigsten Eltern möchten ihr Kind anschreien, und doch kann es passieren. Wieso schreien wir also? Was lässt sich dagegen tun?

Schreien ist immer ein Ausdruck von Überforderung. Diese wird besonders deutlich in Momenten, in denen wir Erwachsenen uns nicht mehr zu helfen wissen. Diese Hilflosigkeit lässt uns oftmals laut, anklagend oder eisig schweigsam werden. Dies passiert nicht nur, weil das Kind gerade ein Glas umgeschüttet hat oder sich nicht anziehen oder wickeln lassen möchte. Es passiert, weil uns dann alles zu viel ist, wir uns gestresst und überfordert fühlen. Unser Stresspegel steigt, wir können nicht mehr klar denken, und jegliches Mitgefühl macht Pause. Wir reagieren nicht mehr besonnen, sondern verlieren die Nerven und sagen etwas, was uns danach leidtut. Diese Reaktion ist menschlich und passiert jedem einmal. Kommt Sie jedoch zu oft vor, leidet darunter vor allem die Beziehung zu Ihrem Kind.

Anschreien ist eine Form von verbaler Gewalt und hat ähnliche Auswirkungen auf ein Kind wie körperliche Gewalt durch Schlagen. Wenn wir unseren Frust am Kind auslassen und es anbrüllen, verletzen wir es in seinem Selbstwertgefühl. Wir setzen es durch unsere Äußerung herab, sodass es sich klein und ungeliebt fühlt. Im ersten Moment erreichen wir durch unser Schreien vielleicht, dass das Kind vor Schreck kurzfristig sein Verhalten ändert, aber nachhaltig ist diese Erziehungsmethode nicht. Im Gegenteil: Kinder, die von ihren Eltern oft angeschrien werden, verhalten sich oft auffällig. Sie lernen nicht, angemessen mit Ihrer Wut oder Angst umzugehen, neigen eher zu Depressionen als andere Kinder und haben später öfter Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen.

Natürlich gibt es Situationen, in denen Eltern klare und manchmal auch laute Ansagen machen müssen. Droht Ihr Kind vor ein fahrendes Auto zu laufen, werden Sie zu Recht brüllen: „Stopp!“ Ihr Kind soll und darf merken, dass sich der Tonfall seiner Eltern verändert, er fester, bestimmter und etwas lauter wird, wenn eine wichtige Regel aufgestellt oder Grenze gezogen wird. Das ist in Ordnung und nicht zu vergleichen mit einem Anschreien, das im Affekt und aus reiner Überforderung passiert.

Gut zu wissen:

Ein Kind in diesem Alter kann seine Gefühle noch nicht kontrollieren. Es versteht noch nicht, dass Mama oder Papa gerade genervt sind, weil sie einen anstrengenden Tag hatten. Es muss noch lernen, seine eigenen Bedürfnisse aufzuschieben. Versuchen Sie zu verstehen, wie es sich fühlt, wenn seine wichtigste Bezugsperson es plötzlich anschreit. Auch eisiges Schweigen verunsichert ein Kind. Strafen Sie es nicht mit Missachtung, sondern bleiben Sie auch in schwierigen Situationen immer in Kontakt: Schauen Sie Ihr Kind an und reagieren oder antworten Sie ihm.

Ruhig und bestimmt: Dem Ärger vorbeugen

Wenn Sie merken, dass sich Wut und Stress in Ihnen aufbauen und Sie kurz vorm Explodieren sind, versuchen Sie es mit folgenden Tipps:

  • Atmen: Wenn Sie merken, dass Sie gleich in die Luft gehen, atmen Sie tief ein und aus. Lassen Sie sich ein paar Sekunden Zeit, um die Situation zu überdenken und sich zu beruhigen, bevor Sie reagieren.
  • Mitfühlen: Gerade wenn Menschen gestresst und in Alarmbereitschaft sind, geht ihnen das Mitgefühl verloren. Wir sehen kein weinendes zweijähriges Kind mehr, sondern einen ungezogenen Fratz. Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Kindes. Es kann nichts dafür!
  • In Kontakt gehen: So banal es auch klingen mag: Handeln Sie, statt auf Ihr Kind einzureden oder es anzuschreien. Nach der letzten Rutschpartie auf dem Spielplatz können Sie es an die Hand nehmen und gehen, statt nur zu sagen: „Wir gehen jetzt.“ Wirft Ihr Kind mit Bauklötzchen, nehmen Sie ihm diese aus der Hand und sagen Sie deutlich, dass Sie das nicht möchten. Bleiben Sie dabei ruhig und liebevoll. Wenn Sie Sprache und Handeln verbinden, versteht das zweijährige Kind viel leichter, was von ihm gewünscht ist. Sie werden schnell merken, dass Ihr Handeln auf das Kind einen viel größeren Effekt hat als jede Schimpftirade.
  • Entschuldigen: Wenn es doch passiert ist und Sie Ihr Kind angeschrien haben, gestehen Sie diesen Fehler ruhig ein. Versuchen Sie Ihr Verhalten nicht dadurch zu rechtfertigen, dass Ihr Kind Sie dazu gebracht hat, sondern entschuldigen Sie sich offen und ehrlich. „Tut mir leid, dass ich geschrien habe, das war nicht in Ordnung.“
  • Stress vermeiden: Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber tatsächlich ein wichtiger Punkt. Versuchen Sie Druck aus Ihrem Alltag herauszunehmen, und tun Sie sich immer wieder etwas Gutes. Je entspannter Sie sind, desto besonnener und geduldiger können Sie auf Ihr Kind reagieren.
  • Sich Hilfe holen: Wenn Sie merken, dass Sie immer wieder die Nerven verlieren, und Sie das Gefühl haben, es allein nicht aus diesem Teufelskreis zu schaffen, holen Sie sich Hilfe in den Erziehungsberatungsstellen.

Gut zu wissen: UN-Kinderrechtskonvention: Alle Kinder haben Rechte!

Bereits im November 1989 wurden die Kinderrechtskonventionen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. 130 Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, bekennen sich zu den UN-Kinderrechten und erkennen Kinder als Menschen mit eigenen Rechten an.

In der Bundesrepublik Deutschland haben Kinder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig und nicht erlaubt. Dies regelt der Paragraf 1631, Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Hier die wichtigsten Kinderrechte in Kurzform

Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Kein Kind darf benachteiligt werden (Artikel 2).

Kinder haben das Recht, gesund zu leben, Geborgenheit zu finden und keine Not zu leiden (Artikel 24).

Kinder haben das Recht zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht (Artikel 28).

Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein (Artikel 31).

Kinder haben das Recht, bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen, was sie denken (Artikel 12 und 13).

Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung (Artikel 19, 32 und 34).

Kinder haben das Recht, sich alle Informationen zu beschaffen, die sie brauchen, und ihre eigene Meinung zu verbreiten (Artikel 17).

Kinder haben das Recht, dass ihr Privatleben und ihre Würde geachtet werden (Artikel 16).

Kinder haben das Recht, im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden (Artikel 22 und 38).

Behinderte Kinder haben das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung, damit sie aktiv am Leben teilnehmen können (Artikel 23).

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