Rollenspiele: Zwischen Wirklichkeit und Fantasie
Auch die Spiele der nun bald vierjährigen Kinder werden immer ausgefeilter und kreativer. Bei Rollenspielen drücken sie ihre eigenen Fantasiewelten aus, aber spiegeln auch das, was sie im echten Leben beobachtet haben. Wie aufmerksam Ihr Kind die Umwelt erlebt, sehen Sie, wenn es in die Rolle eines anderen Menschen schlüpft und zum Beispiel zu einer*m Verkäufer*in oder einer*m Polizist*in wird. Und dafür braucht Ihr Kind nicht mal Kostüm oder Hilfsmittel.
Es ist immer wieder verblüffend, wie genau Kinder den Tonfall und die Körperbewegungen von Personen nachahmen können. So übernehmen sie „spielend“ die Verhaltensweisen der Erwachsenen, an erster Stelle die ihrer Eltern. Da sagt Ihr Kind etwa im strengen Ton zu seiner Puppe: „Ich hab’ jetzt keine Zeit!“, oder: „Du musst jetzt schlafen!“. Wenn Kinder solche Alltagssituationen nachspielen, halten sie Ihnen gleichzeitig einen Spiegel vor: Es gibt kaum bessere Gelegenheiten, von Ihrem Kind ganz offen und ehrlich zu erfahren, wie es Sie als Elternteil manchmal erlebt. Dies können Sie zum Anlass nehmen, Ihr eigenes Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern.
Ihr Kind genießt die Rollen, in die es schlüpft: Als „Mama“ oder „Papa“ kann es groß und stark sein und bestimmen, wo es langgeht. Oder es verwandelt sich in einen brüllenden Löwen, der alle auffrisst. Vielleicht auch in einen wunderschönen Prinzen, den alle lieben, oder in eine mutige Piratin, die sich vor nichts fürchtet. Solche Rollenspiele helfen, die eigenen Gefühle oder Probleme zu verstehen und auszudrücken. Sie haben oft auch eine heilende Wirkung. Im Spiel bestimmt und erschafft jedes Kind seine eigene Welt und kann so auch Sorgen und Ängste bewältigen oder sie einfach wegspielen. Eine besondere Faszination geht dabei von Fantasie- und Märchengestalten, von Figuren aus den Bilderbüchern oder Kinderserien aus. Sie werden zu Helfer*innen und Verbündeten der Kinder.
Manchmal finden Sie die Geschichte Ihres Kindes vielleicht nicht lustig. Wenn es zum Beispiel ein Glas zerbrochen hat, das es nicht anrühren sollte. Und nun erklärt Ihr Kind ganz ernsthaft: „Das war Pippi Langstrumpf“ oder „der Grüffelo“. Vielleicht meinen Sie, dass Sie ihm diese Schwindelei nicht durchgehen lassen dürfen, dass Sie es zur Ehrlichkeit erziehen müssen. Ein Kind in diesem Alter lügt nicht, um jemand anderen ganz bewusst zu täuschen. Drängen Sie es daher nicht, die „Wahrheit“ zu sagen und zu „gestehen“. Statt zu schimpfen, können Sie lieber Möglichkeiten aufzeigen, wie Ihr Kind es wiedergutmachen kann, indem Sie sagen: „Hol’ mir bitte den Handfeger, dann können wir die Scherben beseitigen und keiner tut sich weh“. Vielleicht überwiegt bei Ihnen sogar die Freude über die Fantasie Ihres Kindes den Ärger über ein zerbrochenes Glas.
Die Rollenspiele von Kindern erfüllen wichtige Funktionen:
- Das Kind kann dadurch Erfahrungen sammeln und bewältigen.
- Es kann seine Gefühle ausleben.
- Es kann selbstständig seine Welt in Szene setzen und Erlebnisse wiederholen.
- Indem Ihr Kind in eine andere Rolle schlüpft, lernt es diese und sich selbst besser verstehen.